Der Gasmarkt steht vor großen Umbrüchen. Das wurde zuletzt auf der Weltgaskonferenz vergangene Woche in Paris deutlich. Die Mineralölkonzerne intensivieren ihr Engagement in Gas zuungunsten von Öl. Shell zum Beispiel förderte bereits seit 2012 mehr Gas als Öl. BP plant dies ebenfalls.
Die Rechnung ist eine einfache, wenn auch eine teure: Gas ist aufgrund geringerer Emissionen der politisch gewolltere fossile Brennstoff. Das wurde auch zum G7-Gipfel wieder deutlich. Dabei könnte gerade in der Stromversorgung ein Ersatz der Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke ein große Rolle spielen. Aufgrund der derzeitigen Preise aber funktioniert dies zumindest in Deutschland nicht.
Öl wird einschlägigen Szenarien zufolge in Zukunft nur noch in der Mobilität eine wesentliche Rolle spielen. Zumindest in Europa wird es im Wärmemarkt über kurz oder lang verschwinden. Länder wie Dänemark haben bereits ein Heizölverbot eingeführt. Im Strommarkt spielt es auf dem alten Kontinent sowieso keine Rolle.
Doch der Ölmarkt hat dem Gasmarkt etwa voraus – die Globalität. Öl wird weltweit gehandelt. Das nivelliert die Preise, macht sie vergleichbar. Gas wird bestenfalls kontinental gehandelt – mit einem entsprechenden Preisgefälle (günstig in den USA, mittel in Europa, teuer in Asien). Europa verbraucht europäisches Gas aus der Nordsee oder aus Russland (auch wenn Sibirien in Asien liegt). Nordamerika verbrauch nordamerikanisches Gas, Ostasien braucht Importe und so weiter.
Eine Globalisierung ist um so wichtiger, weil sich Pipelines ab rund 5000 Kilometern Länge nicht mehr rechnen. Der Transport von Sibirien nach Europa ist also die Grenze des Machbaren oder Profitablen.
Gas statt Öl
Deswegen kann der globale Erdgas-Weg nur über die Verflüssigung und den Transport per Schiff gehen. Shell hat bereits die weltgrößte Verflüssigungsanlage in Katar gebaut. In den USA sind ebenfalls die ersten Terminals fertiggestellt. In Europa gibt es keine nennenswerten Verflüssigungs-Kapazitäten außer in Norwegen.
In Rotterdam wird reichlich LNG angelandet und dort auch gehandelt oder direkt um Einsatz im Verkehr gebraucht. Deutschland plant (oder eher nicht) seit den 80er Jahren einen LNG-Terminal in Wilhelmshaven zu errichten. Und Russland hinkt vollkommen hinterher. Gazprom und Novatek verließen sich auf ihre Pipelines und investierten darin viel Geld, zuletzt in den Ostseestrang North Stream und, wenn auch vorerst vergeblich, in South Stream. Eine Leitung nach China wir dgerade gebaut. Doch aufgrund der aktuellen politischen Aktionen dämmert auch den Russen, dass eine Diversifizierung in andere Regionen als die per Pipeline zu erreichenden in Europa oder Ostsasien nicht die dümmste Idee wäre. So ist ein LNG-Terminal nahe St. Petersburg geplant. Doch wann der fertig wird, ist vollkommen offen.
All dies wird dazu führen, dass nach Schätzungen von BP etwa 2030 mehr Gas per Schiff als per Pipeline transportiert wird (Folie 58 des BP Energy Outlook).
Die Investitionen in die LNG Technik sind immens. Und hier offenbart sich ein Widerspruch. Zwar gehen einschlägige Szenarien von einem kontinuierlichen Wachstum des Gasabsatzes aus. Doch zumindest in der Region mit dem höchsten Gasverbrauch weltweit, Europa, sieht es eben genau anders aus. Hier stagniert der Absatz oder geht sogar leicht zurück. Gas fließt hier zum Großteil in den Wärmemarkt. Allein die warmen Winter der letzten beiden Jahre ließen den Gasabsatz regelrecht einbrechen. Hinzu kommen Effizienzmaßnahmen. Zwar freut sich die Branche in Deutschland, dass hierzulande auch im Neubau Erdgas die erste Geige spielt. Doch das fließt in hochgedämmte Häuser mit geringem Verbrauch. Andere Effizienzmaßnahmen im Bestand sind politisch gewollt und staatlich gefördert und führen ebenfalls zu weniger Verbrauch.
Kein fester Planungsgrund für Milliardeninvestitionen
Deswegen sucht die Branche nach Produktdiversifizierungen. Eine Möglichkeit wäre die Mobilität. Dich die kommt beim Erdgasmobil nicht von der Stelle. Die Zahlen der Erdgasfahrzeuge ist in Deutschland nahezu konstant bei 85.000, ebenso die Anzahl der Tankstellen mit etwas über 900. Hier werden sogar die ersten Stationen zurückgebaut. Kein Wunder – bei Investitionskosten von rund 250.000 Euro bräuchte es schon einen sehr hohen Durchsatz an Erdgastankern. Doch der ist mangels Masse nicht zu sehen.
Die Gasbranche steht also vor dem Dilemma, die Globalisierung milliardenschwer zu wagen, und das vor dem Hintergrund potentiell sinkender Absätze. Ein Ritt auf der Rasierklinge.
Vorschaubild: LNG-Tanker. Foto: Pline /Wikimedia unter Lizenz CC BY-SA 3.0
0 Kommentare