Tagebau Vereinigtes Schleenhain bei Leipzig. Ginge es nach einigen Teilnehmern, könnte man hier noch 1000 Jahre Braunkohle abbauen. Foto: Joeb07 / Wikimedia / Lizenz unter CC BY 3.0

Ostdeut­sches Ener­gie­forum: Wir lieben Braunkohle

von | 17. September 2015

Das Ostdeutsche Ener­gie­forum wurde vor vier Jahren gegründet, weil die Wirt­schaft hier unter bis zu 40 % höheren Netz­ent­gelten beim Strom leidet als im Westteil des Landes. Zudem unter­stützte es die heimische Braun­kohle und sieht sie als Partner der Ener­gie­wende. Beides Gründe, die man aus Sicht der hiesigen Wirt­schaft nach­voll­ziehen kann. Doch die vierte Ausgabe des regio­nalen Ener­gie­treffens, die heute zu Ende ging, betrachtet die Sache Ener­gie­wende recht einseitig.

Und das liegt an den Disku­tanten. An dem Plenum „ Die Rolle Ostdeutsch­lands in der Ener­gie­wende mit Blick auf die Erzeugung, die Netze und den Vertrieb“ war kein Vertreter Erneu­er­barer Energien geladen und auch kein Politiker, der die Regie­rungs­linie vertritt. Statt dessen bürstete Arnold Vaatz, immerhin stell­ver­tre­tender Vorsitzender der CDU/​CSU-​Bundestagsfraktion und einstiger säch­si­scher Umwelt­mi­nister, kräftig gegen die Linie von Kanzlerin Merkel und Wirt­schafts­mi­nister Gabriel. Dafür gab es reichlich Applaus und Zustimmung der Anwesenden. 

Doch dass keiner der Podi­ums­gäste bis auf Frank Büchner von Siemens wider­sprach, wenn Vaatz die angeb­liche Unren­ta­bi­lität der Erneu­er­baren beklagte oder die Poten­ziale der Lasten­ver­schiebung komplett falsch einschätzte, lässt tief blicken. Woher hätte der Wider­spruch auch kommen sollen bei reinweg Vertretern fossiler Energien wie VNG oder Mibrag?

Wenigstens vom neuen dena-​Chef Andreas Kuhlmann hätte man fundierte Fakten erwarten können. Doch auch der redete der Kohle anhand der angeblich gar nicht so großen CO2-​Emissionen das Wort. Dabei ist sein Haus von der Bundes­re­gierung mehr oder weniger damit beauf­tragt, die theo­re­ti­schen Grund­lagen der Ener­gie­wende zu legen und voranzutreiben.

Lediglich ein Vertreter des Wind­an­la­gen­her­stellers Enercon aus dem Publikum wies zurecht darauf hin, dass die Höhe der heutigen Strom­preise nicht nur durch die Erneu­er­baren bedingt seien, sondern vor allem durch die jahr­zehn­te­lange Subven­tio­nierung der Stein­kohle und die Förderung des Atom­stroms. Keiner, auch nicht die dena, sprang ihm bei. 

So blieb es bei Vaatz’ Statement, dass die Ener­gie­wende einen Zug gleiche, der auf den Abgrund zurase und nur der Bock­wurst­ver­käufer darinnen sich ein gutes Geschäft verspreche. Es hülfe nur eines gegen weiter steigende Strom­preise: Ein sofor­tiger Stopp des EEG

Doch ein Blick in die Statis­tiken und auf die Fakten wäre hilfreich. Windkraft ist heute schon mit rund 5 Eurocent je kWh in der Erzeugung markt­fähig. Photo­voltaik spielt, auch aufgrund der gekürzten EEG-​Zuwendungen eine immer größere Rolle für die Eigen­ver­sorgung, weil die Geste­hungs­kosten hier deutlich unter den Markt­preisen für Strom liegen. Doch keiner der Disku­tanten ging darauf ein.

So blieb es beim „Wir lieben Braun­kohle“, wobei niemand ja eigentlich vorhat, die Förderung der Braun­kohle und deren Verstromung über Nacht abzu­schaffen. Energieblogger-​Kollege Kilian Rüfer hat hierzu einen schönen Beitrag geschrieben. 

Dabei hat der Osten bei der Ener­gie­wende durchaus Erfolge zu verzeichnen. Immerhin wird hier bereits 40 % des Stromes aus Erneu­er­baren Energien erzeugt. Im bundes­weiten Durch­schnitt sind es 25 %. Hiesige Wohn­ge­bäude verbrauchen nur ein Drittel der Energie wie im Westteil. Will man eine nach vorn blickende Diskussion – Material gäbe es genug. Statt dessen dominiert der schon fast roman­tisch anmutende, auf jeden Fall aber engstirnige Blick auf die Braunkohle.

Auf dem 2015er Niveau jeden­falls kann man sich das 5. Ostdeutsche Ener­gie­forum 2016 getrost sparen.

Vorschaubild: Tagebau Verei­nigtes Schle­enhain bei Leipzig. Ginge es nach einigen Teil­nehmern, könnte man hier noch 1000 Jahre Braun­kohle abbauen. Foto: Joeb07 /​Wikimedia /​Lizenz unter CC BY 3.0

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

5 Kommentare

  1. Rainer Bögl

    Es ist schon inter­essant wie die Vertreter der fossilen Energien sich an jeden Srohhalm klammern und jedes Argument bemühen um die Erneu­er­baren schlecht zu reden. Dass die Ener­gie­wende nicht für einen Appel und ein Ei zu haben ist, war doch klar. Nach Auslauf der Förde­rungen werden erneu­erbare Energien aber sagenhaft günstig werden.
    Wie günstig fossile Ener­gie­träger sind, sieht man aktuell ja bei Eon und RWE deren Börsen­kurse ins bodenlose fällt, unter anderem auch deswegen weil die Bundes­re­gierung die Ener­gie­riesen nicht aus der Haftung für den Rückbau der Atom­meiler entlässt. Die Rücklagen von etwa 30 Mrd. € werden für das Recycling und die Endla­gerung nicht reichen. Den Rest legt dann der Steu­er­zahler drauf, was natürlich nicht als „Strom­kosten” wahr­ge­nommen wird

  2. Thortsen Zoerner

    Die Sache mit den Netz­ent­gelten ist haus­ge­macht. Gerade in den Braun­koh­le­re­vieren im Osten der Republik exis­tieren zuwenige Strom­ver­braucher, für die erzeugte Strom­mengen. Die Folge sind Trans­porte in den Westen Deutsch­lands, die aller­dings wegen fehlender Leitungen nicht durch­ge­führt werden können. Die Folge sind Redis­patches, welche zunächst dazu geführt haben, dass am Markt ein Kraftwerk an anderer Stelle nicht zum Zug kam, dann die Braun­koh­le­meiler nicht einspeisen dürfen und zum Schluss der Strom­kunde kräftig dafür zahlt. Auf eine Milliarde Euro werden die Kosten für dieses Jahr geschätzt, die man eigentlich als Infra­struk­tur­umlage bezeichnen könnte.

    • Frank Urbansky

      Genau so eine Antwort hätte ich mir auf dem Ener­gie­forum gewünscht, aber da kam – nichts. Danke für deinen Kommentar, Thorsten.

  3. Endverbraucher

    Das sind doch mal gute Nach­richten! Und der Herr Vaatz hat doch sogar recht. Wir können die Förderung jetzt sofort aussetzen, da Wind und PV ja bereits jetzt wett­be­werbs­fähig sind! Ener­gie­wende geschafft!

    • Frank Urbansky

      Für Wind­kraft­an­lagen älter als 5 Jahre ist die Förderung nach Wegfall der Anfangs­ver­gütung doch quasi abgeschafft.

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