Nachdem wir uns gestern der ungeliebten Digitalisierung widmeten, geht es heute um die Kapazitätsreserve – eines der drei Gesetze, die das Bundeskabinett vorgestern abwinkte. Die ist umstritten, da in der darin befindlichen Kohlereserve eben alte Kohlemeiler gebündelt sind, die im Bedarfsfall hochzufahren sind. Nun hätten die Betreiber dem Gesetz nach dafür 10 Tage Zeit. Wie absurd dies ist, wurde hier schon erörtert.
Auch die Branchen sind sich nicht ganz sicher, was sie mit der Kapazitätsreserve anfangen sollen. Deren Einführung hält der bne für sinnvoll. „Aus unserer Sicht wäre hier aber ein deutlich effizienterer Ansatz, bei dem mehr Anbieter zum Zuge kommen, möglich gewesen“, so bne-Chef Robert Busch. Ebenso kritisch sieht der bne die sogenannte Braunkohlereserve. Die milliardenschweren Kosten für die Stilllegung der Anlagen müssten die Stromverbraucher tragen. „Einmal mehr werden hier Kosten auf die Kilowattstunde abgeladen, über die ohnehin schon große Teile der Energiewende bezahlt werden. Diese Kostenspirale gilt es dringend zu durchbrechen“, so Busch.
Der BDEW, Interessenvertretung der großen Erzeuger, kritisiert, dass außerhalb des Marktes in Süddeutschland der Bau neuer Kraftwerke angereizt werde, damit diese als Reservekapazitäten für Versorgungsengpässe zur Verfügung stünden. Hinzu käme die faktische Aufhebung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf von 2015, nach der die Kraftwerksbetreiber für die Bereitstellung von Reservekapazitäten eine Kompensation erhalten. Derartige Richtungsänderungen erschütterten das Vertrauen der Marktteilnehmer und hemmten deren Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft.
„Grundsätzlich positiv bewerten wir hingegen den Beschluss des Kabinetts zur Bildung einer Kapazitätsreserve“, so BDEW-Chefin Hildegard Müller wenig verwunderlich, vertritt sie doch die Betreiber jener Reservekraftwerke. Etwas Mäkelei muss denn aber doch sein: Der Beschluss zur sukzessiven Stilllegung von Braunkohlekraftwerken ab Oktober 2016 sei auf die Erreichung der Klimaziele 2020 gerichtet. Es sei also kein Gesamtkonzept für die energiewirtschaftlichen Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten.
Die Stadtwerke sehen die Kapazitätsreserve weniger rosig. Deren Vertretung VKU meint, dass mit der Kapazitäts- und Klimareserve neben der Netzreserve nun zwei weitere Elemente vorgesehen seien, die den Energiemarkt noch komplexer machen. Das sei ineffizient und erhöhe die Kosten für die Verbraucher.
Die vom BMWi selbst vorgelegten Gutachten prognostizierten die Mehrkosten dafür bis 2039 auf 80 Millionen Euro pro Jahr. Allein die Mehrkosten des Strommarktes 2.0 für die Versorgungs- und Systemsicherheit belaufen sich jedoch nach heutigem Stand schon auf 345 Millionen Euro pro Jahr. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum das BMWi sehenden Auges die deutlich teurere Lösung wählt. Versorgungssicherheit ließe sich erheblich günstiger erreichen. Hinzu kommt, dass die Systemmehrkosten durch die Klimareserve noch weiter steigen. Die Vergütung für die Reserve muss daher transparent gemacht werden und mit Augenmaß erfolgen“, so VKU-Chefin Katherina Reiche.
Ein Teil ihrer Mitglieder, die im Stadtwerkverbund Trianel zusammengefasst sind, gehen da radikalere Wege. Sie wollen zumindest gegen die Braunkohlereserve eine Klage prüfen. Kein Wunder, sehen die Kommunen doch darin eine unzulässige Beihilfe pro Kohle. Den Kommunen, die, wenn überhaupt, nur Gaskraftwerke betreiben, ist dies natürlich ein Dorn im Auge. Zudem haben sie das Faktische auf ihrer Seite: Ein Gaskraftwerk kann binnen 24 Stunden hochgefahren werden und damit deutlich flexibler auf die Einspeisungsmengen an Strom durch die Erneuerbaren reagieren. Ein Kohlekraftwerk braucht dafür mindestens vier Tage – und selbst die werden mit dem neuen Gesetz ja nicht mal verlangt.
Vorschaubild: Teile des Kraftwerks Jänschwalde von RWE verbleiben in der unsinnigen Kohlereserve: Foto J.-H. Janßen / Wikimedia / Lizenz unter CC BY-SA 3.0
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