Digitalisierung der Energiewende heißt auch Digitalisierung im größten Energieverbrauchsbereich. Und der heißt in Deutschland: Wärme. Was kann die Digitalisierung von Heizung und auch Kühltechnik bringen?
Dieser Beitrag erscheint innerhalb der Blogparade #digiEwende der Energieblogger. Mehr dazu hier.
Erst einmal zu den möglichen Einsparpotenzialen, die eine Digitalisierung der Heizung mit sich bringen könnte. Das Fraunhofer Instituts für Bauphysik (IBP) hat für Familien im Neubau 17 Prozent und im Bestand 18 Prozent geringere Verbräuche ermittelt Bei Senioren sind es 22 (im Bestand 20) Prozent und bei Singles 40 (im Bestand 35) Prozent. Bei der Heizung ist also ein Vorteil für Hausbesitzer und Mieter zu erwarten – im Gegensatz zum Strom, wo wegen der Standby-Verbräuche, die intelligente Stromverbraucher benötigen, sogar mit wachsenden Verbrauchsmengen gerechnet wird.
Alles ist messbar
Eine intelligente Heizung wird via Kommunikationsnetz wie dem Internet eingebunden. Funktionen und Parameter können in Echtzeit ermittelt und angezeigt werden. Dazu gehören folgende Betriebszustände und Parameter:
- Verbrauch
- Heizbetrieb
- Zirkulation
- Nachtabsenkung
- Systemtemperatur
- Außentemperatur
- Zeitprogramme
Gesteuert kann dieses, da netzangebunden, via Smarthome mittels App oder am Computer mittels Portal, aber auch natürlich an entsprechenden Displays beim Verbraucher.
Der große Vorteil der Netzgebundenheit: Auch Spezialisten wie SHK-Handwerker oder Hersteller können, falls vom Bereiber gewollt, auf die Daten zugreifen. Sie können ungewöhnliche Verbräuche und Verläufe erkennen, Rückschlüsse auf fehlerhaften Betrieb oder Defekte ziehen. So kann der Kundendienst aktiviert oder der Fehler eventuell sogar aus der Ferne behoben werden. Datenspezialist Bernd Wenzel von Viessmann verglich die Möglichkeiten mit der Behandlung von Krebs. Wenn man so früh wie möglich Abweichungen erkenne und Fehler behebe, können man die Anlage rechtzeitig optimieren und reparieren, Verschleiß hinauszögern und Ausfälle verhindern.
Wetter steuert Heizung
Da auch die Wetterdaten selbst prognostisch verwendet werden können, ist hier auch eine Verbrauchsoptimierung vorstellbar. Insbesondere bei Hybridheizungen, die entweder mit Solarthermie oder Photovoltaik betreiben werden, ist etwa die Sonneneinstrahlung wichtig.
Hier kann eine intelligente, weil digitalisierte Heizung jeweils auf den Energieträger zurückgreifen, die gerade am günstigsten verfügbar ist. Gleiches gilt für Wärmepumpenstrom, der bei preislichen Tiefständen Strom beziehen und nutzen kann. Doch hierfür fehlen noch rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Sicherheit bleibt Problem
Intelligente Heizungen brauchen Netze oder Clouds. Und das ist auch einer der Schwachpunkte. Gerade erst wurden in Finnland Heizungen en masse gehackt. Letztes Jahr fiel im September das Telekom-eigene Smart-Home-System Qivicon aus. All das schafft kaum Vertrauen bei den sehr vorsichtigen deutschen Verbrauchern. Das konstatiert auch Sicherheitsspezialist Kaspersky Lab.
Absolute Sicherheit wird es in diese Bereich, wie in allen anderen, nie geben. Dennoch müssen hier Lösungen gefunden werden, mit der die Verbraucher und Betreiber leben können. Ansonsten hat es die Digitalisierung der Heizung schwer.
Ein Beitrag zu den Chancen von Smart Home, eine Voraussetzung für die intelligente und digitalisierte Heizung im Eigenheim, findet sich hier von Energieblogger-Kollege Martin Schlobach auf Stromauskunft.
Mag sein, dass bei schlecht isolierten Häusern mit hohem Verbrauch und rel. geringen Speichermassen eine Einsparung möglich ist. Dann sollte man allerdings erstmal in die Reduzierung des bedarfs investieren, statt in Spielkrams.
Bei gut isolierten Häusern mit großer Speichermasse ist jede Absenkung (im Stundenbereich) kontraproduktiv – die Abkühlung erfolgt kaum, so ist auch ein Minderverbrauch durch geringere Verlust kaum zu erreichen. Außerdem braucht man für die Aufheizung dann höhere, und somit weniger effektive Vorlauftemperaturen.
Beispiel zum fast Kopfrechnen:
Gut isoliertes EFH, Speichermasse 24kWh/K, Heizbedarf bei AT=0°C RT=20°C: 2,0kW
6h Absenkung durch Abschaltung der Heizung
Temperatur am Ende der Absenkung: (2kW*6h)/24kWh/K =0,5K => 19,5°C
mittlere Temperatur während der Absenkphase: 20°C – 0,5K/2 = 19,75°C
Einsparung: (1 – 19,75°C/20,0°C)*2000W *6h = 150W + 6 x 20W =120W Heizungspumpe
gesamt 270W,was 0,27kWh/12kWh = 2,25% entspricht
Dagegen zu rechnen ist, dass die 12kWh ja wieder in die Speichermassen eingespeichert werden müssen, um die ursprüngliche RT zu erreichen.
Dazu muss man dann z.B. 6h mit 4kW, oder 3h mit 6kW, also deutlich höheren Leistungen (als die 2kW) heizen.
Bei 860l/h (20W Energiesparpumpe) entspricht 2kW einer Spreizung von 2K.
Für 4000W ergibt sich eine Spreizung von 4K.
Bei einer Wärmepumpe verschlechtert sich der COP für jedes K mehr VL Temperatur um ca. 3–4%.
Berechnet man das mit einem COP von 4,0 bei 2kW, sind es bei 2K mehr und ‑3%/K (Fall 6h mit 4kW) nur noch ein COP von 3,76, es werden dann in 6h 382Wh mehr verbraucht.
Im Fall 6kW innerhalb von 3h ergibt sich ein COP von 3,52 und ein Mehrverbrauch von 613Wh.
In beiden Fällen hat man mit einer Absenkung nichts gewonnen, sondern sogar Energie verloren.
Das Optimum erreicht man bei Flächenheizungen durch einen peniblen hydraulischen/thermischen Abgleich ohne Einzelraumregler und einer konstanten Beheizung mit einer genau passenden Heizkurve.
Das jedoch kann jede bessere Heizungssteuerung. Einzig eine Überwachung auf Abweichungen müßte bei der einen oder anderen Steuerung noch dazuprogrammiert werden.
Smart Grid Ready wirkt dann ggf. lediglich auf die Heizkurve und hebt diese um einen festen Betrag (z.B. 0,5K) an, wenn es günstigen Strom gibt. Dadurch wird dann automatisch etwas mehr Wärme produziert und in die Speichermassen des Gebäudes eingelagert.
Ich weiß nicht, wozu man all dieses smarte Spielzeug dann noch braucht 😉
LG jogi